Wahlkampf-Vorbereitung im Amt? 21 von 50 Faeser-Dienstreisen führten wohl nach Hessen
Innenministerin Faeser unternahm offenbar viele Dienstreisen nach Hessen. Einige davon hatten angeblich zeitliche Nähe zu Wahlkampfterminen.
Berlin – Als Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ihre Spitzen-Kandidatur für die Hessenwahl 2023 ankündigte, sorgte das für einigen Aufruhr. Sogar Koalitionspartner von Grünen und FDP rieten Faeser von einer Doppelrolle ab. Auch Forderungen zum Rücktritt setzte es.
Erste ganz konkrete Vorwürfe könnten nun laut werden - es könnte der Eindruck entstehen, Faeser habe sich bereits in ihren ersten knapp vierzehn Monaten als Bundesinnenministerin auf die Hessen-Wahl vorbereitet. Laut einer Auswertung führten mehr als 40 Prozent ihrer Dienstreisen nach Hessen: Faeser soll zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 21 von 50 Dienstreisen nach Hessen unternommen haben, wie merkur.de berichtet.
Hessen-Wahl: Faeser soll für Wahlkampf-Vorbereitung Dienstreisen nach Hessen unternommen haben
Damit wäre Hessen im Vergleich zu den anderen 15 Bundesländern deutlich überrepräsentiert. Keine einzige der dokumentierten Dienstreisen führten Faeser nach Bremen, Sachsen-Anhalt, Thüringen oder ins Saarland. Das ergab eine Auswertung eines Rechercheteams von „Achtung, Reichelt!“, eines Bewegtbild-Programm des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt.
Von den 21 Dienstreisen nach Hessen führten angeblich nur zwei zu Bundesbehörden: Zum Bundeskriminalamt nach Wiesbaden am 23. Mai 2022 und zur Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal am 15. Juli 2022. Die weiteren Reisen hatten angeblich größtenteils eine zeitliche oder räumliche Nähe zu SPD-Veranstaltungen im Hessen-Wahlkampf. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat Dienstreisen mit Hessen-Bezug bestätigt. Ein offizielles Statement gab es bislang nicht. Auch eine Anfrage von IPPEN.MEDIA blieb zunächst unbeantwortet.
Faeser unternahm wohl viele Dienstreisen nach Hessen – BMI soll einige davon verschwiegen haben
Zudem hatte das BMI laut Recherchen von „Achtung, Reichelt!“ zunächst einige Dienstreisen verschwiegen. Das Ministerium habe erst im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung vor dem Berliner Verwaltungsgericht den Journalisten eine Liste von 33 Dienstreisen ausgehändigt, die aber unvollständig gewesen sei, heißt es. Recherchen des Reichelt-Teams zeigen angeblich, dass mindestens 17 weitere Dienstreisen fehlten. Das BMI habe das auf eine spätere Anfrage hin bestätigt. Von den 17 Reisen führten angeblich 13 nach Hessen.
Auf Anfrage von „Achtung, Reichelt!“, ob einzelne oder alle Dienstreisen nach Hessen der Vorbereitung des Wahlkampfs dienten, heißt es aus dem BMI: „Sämtliche Dienstreisen nimmt die Bundesinnenministerin im Rahmen ihres Amtes vor. Parteipolitische Termine sind keine Dienstreisen.“
Wahlkampf-Vorbereitung im Amt? Opposition fordert Faeser auf, reinen Tisch zu machen
Dennoch wirft Reichelts Recherche-Team Faeser vor, ihr Amt für Wahlkampfauftritte genutzt zu haben – auf Kosten der Steuerzahler. Thorsten Frei (CDU), Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, forderte Faeser auf, die Vorwürfe auszuräumen: „Frau Faeser sollte ihr Haus nicht in Misskredit bringen und muss unverzüglich den Verdacht ausräumen, staatliche Mittel für ihren persönlichen Wahlkampf zu missbrauchen“, wird Frei zitiert.
„Achtung, Reichelt!“ wird jedoch selbst kritisch beäugt. In der Vergangenheit hatten sich Experten mehrfach kritisch zu Reichelts Programm geäußert. „Reichelt arbeitet mit einem Konzept, das in die Nähe von Halbwahrheiten geht. Er übersteigert das Vorliegende und deutet alles in eine Richtung“, sagte ein Politikwissenschaftler im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. (bohy)