Verbrenner-Aus als Offenbarungseid der EU

Kürzlich habe ich an dieser Stelle über das EU-Verbot von Verbrennungsmotoren geschrieben. Bezug nehmend auf das Wall Street Journal, habe ich versucht, meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass sich die Vernunft durchgesetzt hat. Nun aber hat sich die EU-Kommission nach Absprache mit Berlin doch noch mit einer ihr Gesicht wahrenden (?) “Lösung” durchgesetzt. Eine knappe Analyse – und viele Fragen.

Dies ist ein knapper Beitrag, der als “Update” zu meinem Artikel vom 29. März dienen mag. So heißt es etwa in einem knapp danach bei Reuters erschienenen Beitrag wie folgt (meine Hervorhebungen):

Die Länder der Europäischen Union haben am Dienstag [28. März 2023] endgültig einem wegweisenden Gesetz zugestimmt, das den Verkauf neuer CO2-emittierender Autos im Jahr 2035 beenden soll, nachdem Deutschland eine Ausnahmeregelung für Autos, die mit E-Kraftstoffen betrieben werden, durchgesetzt hat…

Das EU-Gesetz schreibt vor, dass alle verkauften Neuwagen ab 2035 keine CO2-Emissionen und ab 2030 55% weniger CO2-Emissionen als im Jahr 2021 haben müssen. Die Ziele sollen die rasche Dekarbonisierung der Neuwagenflotten in Europa vorantreiben.

Damit nicht genug, denn in letzter Minute hatte Deutschland – wohl durch den Druck der Automobilindustrie – als Hindernis ausgesehen:

Die Europäische Kommission hat jedoch zugesagt, einen legalen Weg zu schaffen, damit der Verkauf von Neuwagen, die nur mit E-Kraftstoffen betrieben werden, auch nach 2035 möglich ist, nachdem Deutschland diese Ausnahme gefordert hatte…Doch die von Deutschland erwirkte Ausnahmeregelung ist ein potenzieller Rettungsanker für herkömmliche Fahrzeuge – auch wenn E-Kraftstoffe noch nicht in großem Maßstab produziert werden…

“Die Richtung ist klar: Im Jahr 2035 müssen neue Autos und Lieferwagen emissionsfrei sein”, sagte der EU-Klimachef Frans Timmermans.

Sie können diese Zeilen also lesen und – so wie ich – eine Reihe von Ausnahmen erahnen.

Fragen über Fragen

Und dennoch stellen sich weiterhin – jenseits der technologischen wie energetischen Hindernisse – eine Reihe von Fragen, die (noch immer) nicht beantwortet sind. Eine unvollständige Liste dieser Aspekte umfasst meines Erachtens zumindest die folgenden Punkte:

  • Wenn der Verkauf bzw. die Zulassung von Neuwagen erschwert bis unmöglich werden soll, stellt sich die erste Frage nach den zwingend folgenden Änderungen für Gebrauchtwägen (hier in Norwegen sind PKW ab der Zweitzulassung deutlich billiger: Nachfrage nach und Handel mit importierten o.ä. Gebrauchtwägen sind massiv).

  • Wie soll das bestehende Netz der Tankstelleninfrastruktur genutzt werden? Angeblich sollen “alle 60km Ladestationen” gebaut werden (TKP hat berichtet), wobei dies weder von heute auf morgen der Fall sein kann – und von den damit verbundenen Kosten (Netzausbau) ganz zu schweigen.

  • Gleichzeitig wird es wohl – wie bei allen Infrastrukturprojekten – Regionen geben, die zunächst (?) nicht von diesen Veränderungen betroffen sind. Die Politik oder die Regulierungsbehörden werden also “Gewinner” wie “Verlierer” wählen.

Hinzu kommt auch die meines Erachtens wichtigste Frage: ab welchem Zeitpunkt bzw. Ort werden die CO2-Emissionen registriert?

Zweifelsfrei klar ist, dass jedwede industrielle Tätigkeit CO2 und wie andere Schadstoffe emittiert und Umweltzerstörung verursacht. Dennoch: sollen z.B. die Arbeitsbedingungen in den Kobaltminen im Kongo (siehe hierzu etwa Cobalt Red von Siddharta Kara) mit ein Teil der Überlegungen sein?

Wie steht es um die Entsorgung bzw. Wiederverwertung der als “Sondermüll” klassifizierten Batterien der Elektroautos? Der “Globale Süden” verwehrt sich seit einigen Jahren gegen die Einfuhr von “normalem” und anderem Abfall aus den Industrieländern – doch schweigt man sich in Brüssel wie auch andernorts (z.B. im Umweltministerium) gerne darüber aus, wo denn all diese Dinge letztlich landen, von den damit verbundenen Kosten ganz zu schweigen. Es steht also zu erwarten, dass diese wohl auch dem Konsumenten umgehängt werden.

In dem erwähnten Reuters-Bericht wird der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing zitiert, der befindet, dass die Einigung “der Bevölkerung wichtige Optionen für eine klimaneutrale und bezahlbare Mobilität” ermögliche.

Die Worte höre ich wohl, allein’ mir fehlt der Glaube.

Preisschocks und Nachschubprobleme voraus

Ungeachtet aller bisher geäußerten Überlegungen deutet Wissing immerhin an, wohin die Reise gehen wird: in Richtung massiv erhöhter Kosten für den Individualverkehr. Es kann davon ausgegangen werden, dass die kommenden Jahre – und zwar unabhängig davon, was “wir” im Moment tun.

Die “Pandemie” hat das Ihre dazu beigetragen, dass die Produktions- und Nachschubsketten im Moment recht instabil sind. Hinzu kommen die unsichere internationale Großwetterlage sowie die massiv verzerrten Finanz- und Rohstoffmärkte: weder der Preis von Rohöl noch Kupfer entsprechen deren tatsächlichen Preisen, von den längeren Vorlaufzeiten und Investitionen ganz abgesehen.

Apropos Investitionen: die politische Unsicherheit trägt das Ihre dazu bei, dass die Öl- und Gasindustrie wohl hart darüber nachdenken wird, welche Investitionen getätigt werden, die erst Jahre später Gewinne versprechen. Dies ist übrigens schon länger so – und die Folgen davon setzen dieser Tage mit aller Wucht ein. Unter Strich werden die nächsten Jahre als in erster Linie Preissprünge und erhöhte Volatilität bringen, was das Seine zu der Zerstörung der Nachfrage beitragen wird.

Davon abgesehen: alle landwirtwschaftlichen Nutzfahrzeuge sowie Baustellengerät wird mit Diesel betrieben; Kunstdünger benötigt Erdgas und Pestizide Öl. Jedwede Veränderung in Zusammenhang mit “Verbrennungsmotoren” zieht zwangsweise Preissteigerungen für Grundnahrungsmittel nach sicht, von den erhöhten Kosten für den Transport durch LKW ganz zu schweigen.

Wenig überraschend, so sind dies just die Fakten, über die die Hl. Greta (Thunberg) bzw. “grüne” Politiker*innen unerwähnt belassen.

Ifo-Präsident ergeht sich in Widersprüchen

Zu allem Überfluss finden die “Experten” kaum die richtigen Worte. Hin und wieder aber finden sich aber auch Personen, die “große Worte” relativ gelassen aussprechen. “Sogar” in den “Leit- und Qualitätsmedien” – wie dem Deutschlandfunk (meine Hervorhebungen):

Die bisherige Regelung im Klimaschutzgesetz, dass bestimmte Sektoren CO2-Einsparziele erreichen müssen, bezeichnete Fuest im Deutschlandfunk dagegen als „Planwirtschaft“. Besser sei es, dort mehr zu sparen, wo es am günstigsten sei. Wo genau das ist, müsse sich am Markt herausstellen, dafür sei der Zertifikate-Handel da. Wichtig sei, möglichst schnell die Bereiche Verkehr und Gebäude in den Handel einzubeziehen. Der CO2-Preis müsse jedoch schneller steigen.

Die geplante Erhöhung der Lkw-Maut nannte Fuest „keine so schlechte Lösung“, 43% der Maut würden von ausländischen Lkw bezahlt und man müsse sich keine Sorgen machen, dass es nicht genügend Lkw-Verkehr gebe. Für den Ausbau der Bahn sei Geld nicht ausreichend. Der Ökonom kritisierte, die Bahn sei „desorganisiert und sehr häufig verspätet“.

Lassen wir einmal beiseite, woher die Probleme mit der Bahn rühren (einen guten Überblick finden Sie hier) – und beachten einen Moment, wer hier was gesagt hat. Der Urheber dieser Wortspende ist der Präsident des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest.

Verbrennner-Aus als Offenbarungseid der EU-Kommission

Und eben jeder Geistesriese befindet, dass die Erhöhung der LKW-Maut in Deutschland vor allem von “ausländischen LKW” bezahlt wird.

Wenn die EU-Kommission Berlin das durchgehen lässt – hier sei in Kürze an das Maut-Versagen der vormaligen Bundesregierung erinnert, das untrennbar mit Andreas Scheuer verbunden ist – ist der gemeinsame Binnenmarkt am Ende. Sobald dies als “in Ordnung” gilt, werden alle anderen EWR-Länder ähnliche Bestimmungen erlassen, nicht zuletzt wäre dies ein außerordentlich gutes Argument, die Brenner-Route für LKW deutlich zu verteuern (und dies ist für alle Fraktionen in Tirol ein “gutes Wahlargument”).

An dem als ursächlich angenommenen Problem – wie hier via “Our World in Data” ersichtlich – ändern das übrigens kaum etwas:

An dem als ursächlich angenommenen Problem – wie hier via “Our World in Data” ersichtlich – ändern das übrigens kaum etwas:

Das gibt übrigens auch Ifo-Präsident Fuest zu (meine Hervorhebung):

Fuest sagte, die volkswirtschaftlichen Kosten der Klimaerwärmung seien massiv. Doch das habe wenig mit dem zu tun, „was wir hier in Deutschland mit den CO2-Emissionen machen“. Die Kosten würden allein von den globalen Emissionen abhängen, primär vom Verhalten von China und den USA und der Frage, ob Brasilien den Regenwald abholze. Einen deutschen Einfluss auf das Weltklima sah Fuest in erster Linie durch den Export von Technologien in andere Länder. „Es gibt keine direkte Verbindung zwischen den Emissionen Deutschlands und dem Weltklima.“

Es wird sich zeigen, ob die EU-Kommission sich selbst über diese “Umwege” des “Klimaaktivismus” noch vor 2035 selbst abschaffen wird.

https://tkp.at/2023/03/31/verbrenner-aus-als-offenbarungseid-der-eu/