Rund 4.000 Teilnehmer bei DGB-Demo - Forderung nach höherer Tarifbindung
Tausende Menschen beteiligen sich auch in diesem Jahr an den Mai-Demonstrationen. In Berlin-Mitte rief der DGB zu seiner traditonellen Kundgebung, im Grunewald formierte sich ein Satire-Protestzug. Die größte Demo wird am Abend in Kreuzberg erwartet.
Zahlreiche Demos in Berlin und Brandenburg am Tag der Arbeit
DGB-Demo in Berlin mit 4.000 Teilnehmenden
rund 3.000 Menschen bei "My Gruni"-Protest in Grunewald
Am Abend bis zu 15.000 Teilnehmende bei "Revolutionärer 1. Mai Demonstration" erwartet
Polizei mit 6.300 Einsatzkräften in Berlin
Walpurgisnacht weitestgehend friedlich
Zum Tag der Arbeit in Berlin und Brandenburg stehen auch in diesem Jahr mehrere Demonstrationen an. Der deutliche Schwerpunkt der Proteste am 1. Mai liegt dabei in der Hauptstadt, dort rechnet die Polizei über den Tag verteilt mit Zehntausenden Teilnehmern.
Der Vormittag begann in Berlin mit den traditionellen Demonstrationszügen der Gewerkschaften. Laut Polizei nahmen rund 4.000 Menschen am Aufzug "Tag der Arbeit - Kundgebung der Gewerkschaften" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) teil.
Höhere Tarifbindung und 4-Tage-Woche gefordert, Streiks verteidigt
Die Demonstration zog zum Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus, wo dann die eigentliche Kundgebung stattfand. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann verteidigte auf der Kundgebung die Rechte der Gewerkschaften zum Arbeitskampf vehement. "Wir werden keine Einschränkung des Streikrechts dulden - Punkt, aus, Ende", rief der Gewerkschafter. Kritik an den Folgen für Bürger und Verbraucher etwa bei Flughafenstreiks wies er zurück. Es sei Sinn von Streiks, "ökonomisch und politisch Druck zu machen, und dieses Recht allein nehmen wir wahr", sagte Hofmann.
Wir werden keine Einschränkung des Streikrechts dulden - Punkt, aus, Ende
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann
Die Gewerkschaften kämen mit kräftigem Schwung aus den Jahren der Corona-Zeit, sagte der IG-Metall-Chef. Die Beteiligung an Warnstreiks sei hoch, die Menschen setzten sich brennend für ihre Ziele ein. In den laufenden Tarifrunden seien deshalb viele gute Ergebnisse erzielt worden, Zehntausende neue Mitglieder seien hinzugekommen. Er wiederholte seinen Vorstoß für eine Vier-Tage-Woche und wies Kritik daran zurück. Er sei der festen Überzeugung, dass ein voller Lohnausgleich tragbar sei, sagte Hoffmann.
Der DGB macht sich darüber hinaus für eine höhere Tarifbindung stark. Mindestens 80 Prozent der Beschäftigten sollten unter Tarifbedingungen arbeiten, lautet die Forderung. Nur so werde Arbeit attraktiv, nur so würden Arbeitende vor Armut geschützt, heißt es. Derzeit seien weniger als die Hälfte der Beschäftigten von Tarifverträgen erfasst.
Für das Land Brandenburg hat die Gewerkschaft zudem Kundgebungen, Demos und Veranstaltungen in Potsdam, Hennigsdorf, Brandenburg an der Havel, Frankfurt (Oder), Schwedt, Strausberg und Eberswalde angekündigt.
3.000 Menschen bei Satireprotest im Berliner Villenviertel Grunewald
Am Mittag startete der satirische Protestzug "My Gruni" in Berlin-Grunewald. Gegen 14:15 Uhr setzte sich der Zug aus rund 3.000 Menschen am Johannaplatz in Bewegung - die Veranstalter nannten die Zahl von 7.000. Er soll über die Bismarckallee, Grunewaldkirche, Wernerstraße, Richard-Strauß-Straße, Menzelstraße, Hagenplatz, Königsallee, Erdener Straße, Baraschstraße und Winklerstraße zum Bahnhof Grunewald führen.
Das Motto in diesem Jahr lautet "Reichtum wird enteignet" - kurz RWE. Die Veranstalter spielen damit auf den Energiekonzern RWE an, für dessen Kohleabbau die Ortschaft Lützerath abgerissen wird. Die "My-Gruni"-Aktivisten kündigten an, "Kohlevorkommen im Luxusrevier erschließen und abbaggern" zu wollen. "Am 1. Mai würden hierfür die Abrissarbeiten des Villenviertels beginnen." Bei einer ersten "MyGruni"-Veranstaltung 2018 war es unter anderem zu Sachbeschädigungen und Landfriedensbruch gekommen, die Folgeveranstaltungen blieben weitgehend friedlich.
Revolutionäre Mai-Demo am Abend
Schwerpunkt des Tages ist die seit Jahren stattfindende Demonstration "Revolutionärer 1. Mai" - ein Protest linker und linksradikaler Gruppen am Abend des 1. Mai in Berlin. Diese soll auch in diesem Jahr wieder in Neukölln starten und in Kreuzberg enden. Um 17:00 Uhr ist nach Veranstalter-Angaben eine erste Kundgebung auf der Kreuzung Hermannstraße und Flughafenstraße geplant. Der Protestzug soll dann ab 18:00 Uhr über den Hermannplatz, Karl-Marx-Straße, Sonnenallee und Kottbusser Damm zum Kottbusser Tor und Oranienplatz führen.
Das Veranstalter-Bündnis teilte bereits Wochen vor dem Demo-Start mit, dass der Protest vor den "Gefahren eines Dritten Weltkrieges" warne und dass es gelte, "die Klimakatastrophe zu verhindern": "Der Kapitalismus kann für diese Krisen keine Lösungen präsentieren, denn er ist ihre Ursache", hieß es. Sozialismus und eine "soziale Revolution weltweit" müsse das richten. Weiter heißt es: "Der heiße Sommer 2023 wird spätestens am 1. Mai beginnen." Man freue sich "brennend" auf die Demonstration. Zu einem Foto von Flaschen folgte das Stichwort "Molotowcocktail".
Myfest fällt erneut aus - Sperrungen in der Stadt
Das über rund 15 Jahre in Folge veranstaltete "Myfest" findet in diesem Jahr erneut nicht statt. Aber es gibt in Kreuzberg eine kleine Ausgabe: als "Maifest" mit Musik unter freiem Himmel, Reden und Angeboten für Kinder zwischen 10:00 und 22:00 Uhr am Mariannenplatz.
Die Berliner Verkehrsinformationszentrale weist darauf hin, dass es rund um die Demonstrationen und Kundgebungen am Montag zu Sperrungen und anderen Verkehrsbeeinträchtigungen kommen wird.
6.300 Einsatzkräfte der Polizei
Die Polizei ist nach eigenen Angaben am 1. Mai mit 6.300 Beamten im Einsatz, davon kommen rund 2.500 aus anderen Bundesländern. Ein besonderes Augenmerk lege die Polizei auf die Sicherung der 19 angemeldeten Versammlungen, wie Polizeisprecherin Anja Dierschke am Sonntag erklärte. Es werde auch darauf geachtet, Rettungskräfte der Feuerwehr und Sanitäter vor möglichen Angriffen zu schützen.
Sollte es bei einer Demonstration zu Unruhen kommen, werde die Polizei wie in den vergangenen Jahren vorgehen und zunächst die Organisatoren bitten, die Teilnehmer zu beruhigen. "Wenn das nicht funktioniert, werden wir auf die Menschen zugehen und sie darauf ansprechen, dass etwas in eine falsche Richtung geht und dann auch konsequent durchgreifen", so Dierschke.
Die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor wird demnach am Montag besonders bewacht.
Berlin sonnt und demonstriert sich in den Mai
Viel los, aber keine Demo: Auf der Oranienstraße freuen sich die Kreuzberger und ihre Gäste über die ausgesperrten Autos und das Feiertagswetter an den Cafetischchen, den Biertresen und Weinbänken.
Walpurgisnacht verlief weitgehend friedlich
Zum Auftakt der Demonstrationen waren am Sonntagnachmittag etwa 650 Menschen zu einer antikapitalistischen Demonstration in Wedding versammelt. Sie zogen vom U-Bahnhof Seestraße bis zur Badstraße. Der Protest stand unter dem Motto "Frieden statt Kapitalismus - Wettrüsten stoppen und Armut beenden". Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration ruhig.
Eine Frau sei wegen tätlichem Angriff auf Einsatzkräfte festgenommen worden, hieß es. Zu Beginn der Demonstration, bei der rund 3.300 Menschen vom Mariannenplatz zum Schlesischen Tor zog, wurden nach Angaben der Behörde pyrotechnische Gegenstände gezündet, vereinzelt seien auch Beamte mit Flaschen beworfen worden.
Insgesamt habe es 13 freiheitsbeschränkende Maßnahmen bei neun Männern und vier Frauen gegeben, so die Polizei. Es wurden 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Elf Polizeikräfte seien verletzt worden, eine Polizeikraft habe den Dienst vorzeitig beenden müssen.