Rassismus-Vorwurf: Beliebter Wiesn-Schausteller schmeißt hin
Oktoberfest-Fahrgeschäfte seien mit rassistischen Malereien verziert. Das sagt Münchens Vize-Bürgermeisterin von den Grünen. Ein Traditionsbetrieb gibt deshalb jetzt genervt auf.
Fahrgeschäfte auf dem Münchner Oktoberfest sorgen derzeit für eine große Diskussion in München – unter Schaustellern und auch in der Politik. Wieder einmal geht es darum, wie sensibel eine Gesellschaft heute auf gewisse Darstellungsformen reagieren sollte. Denn viele der Wiesn-Fahrgeschäfte sind verziert mit Malereien, die teilweise mehr als dreißig Jahre alt sind. Die sind teils derb – und entsprechen heute nicht mehr unbedingt dem Zeitgeist.
Manche Kunstwerke sind dabei besonders umstritten. Auf ihnen erscheinen beispielsweise beim Fahrgeschäft "Topspin" halbnackte Frauen und beim "Vodoo-Jumper"-Karussell stereotypisierte Schwarze, die Frauen unter das Dirndl schauen. Auf einer weiteren Malerei taucht ein Affe auf, der einer Frau das BH-Oberteil wegreißt.
Grünen-Bürgermeisterin will das nicht mehr tolerieren
Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) findet diese Malereien "rassistisch" und will sie deshalb nicht mehr tolerieren, wie die "Bild" zuerst berichtete. "Rassismus hat im weltoffenen München nichts zu suchen, das gilt selbstverständlich auch für das Oktoberfest", sagt sie zu t-online. "Ich will nicht, dass unsere Gäste hier mit rassistischen Motiven konfrontiert werden."
Die Berichterstattung schlägt in München hohe Wellen: Ein verärgerter und genervter Münchner Schausteller hat mittlerweile sein Fahrgeschäft verkauft. Dabei handelt es sich um den beliebten "Top Spin", der seit 1997 auf dem Oktoberfest steht.
Manfred Zehle ist ein Oktoberfest-Urgestein
"Ich tue mir das nicht mehr an", sagt Manfred Zehle, der seit dreißig Jahren auf der Wiesn arbeitet, im Gespräch mit t-online. Dem Oktoberfest-Urgestein sind die ganzen Regularien und der hohe Bürokratieaufwand "viel zu viel". Weiter sagt er: "Wenn ich könnte, würde ich auswandern. Hier kann man nur noch Steuern zahlen – die Forderungen und die Bürokratie verstehe ich gar nicht mehr."
Schausteller Manfred Zehle (l.) neben Münchens Bürgermeister Dieter Reiter (Archivbild): Sein Fahrgeschäft verschwindet nach 25 Jahren von der Wiesn. (Quelle: imago stock&people)
Zehle sagt, es sei schade, dass er den "Top Spin" nicht weiterbetreiben könne. Doch würde der Schausteller einzelne Malereien austauschen, wäre das nach eigener Aussage schwer finanzierbar. Denn die Schausteller seien ohnehin von den hohen Energiekosten, dem Fachkräftemangel und der Inflation stark betroffen.
Wiesn-Chef zieht die Grünen in Verantwortung
Die Trennung Zehles von seinem Fahrgeschäft "Top Spin" lässt auch den Wiesnchef in München nicht kalt. "Ein Betrieb macht Schluss dank der Grünen. Herzlichen Glückwunsch!", sagt Clemens Baumgärtner (CSU) im Gespräch mit t-online. "Das ist der Effekt, der durch die Forderungen der Grünen entsteht." Ideologien werden Baumgärtner zufolge bei dieser Diskussion an die erste Stelle gesetzt.
Baumgärtner kommt bei diesem Thema so richtig in Fahrt: "Die Grünen wollen eine Kulturrevolution, die eine ganz breite Masse im Land aber nicht will. Dann müssten wir auch den 'Playboy' an der Tankstelle verbieten", so der Wiesnchef weiter. "Wenn man außerdem Baden in Schwimmbädern auch oberkörperfrei fordert, aber keine nackte Haut auf der Wiesn toleriert, ist das schizophren."
SPD schließt sich Habenschaden an
Stadtrat Klaus Peter Rupp (SPD) hält dagegen. "Rassistische und entwürdigende Darstellungen sind auf der Wiesn schon seit Langem nicht mehr zulässig. Das halten wir auch für richtig", betont der 59-Jährige. "Wenn sich ein Schausteller aus diesem Grund zur Aufgabe seines Geschäfts entschlossen hat, würden wir es sehr schade finden."
Baumgärtner zufolge argumentieren die Grünen bei ihren Forderungen mit dem Jugendschutz. Das, sagt der Wiesnchef, sei "absurd". Abzuwarten bleibt, ob bis zum Wiesnaufbau aus den bisherigen Forderungen wirklich eine rechtliche Verpflichtung werden kann.