Neuer Heereschef: „Wir müssen alles können“
Generalmajor Rudolf Striedinger gilt als neuer höchster Militär im Land, bis Oktober soll er vom Bundespräsidenten zum Generalstabschef ernannt werden. Ein „Krone“-Gespräch über einen Geldsegen, Schutzausrüstung und die Miliz.
„Krone“: Herr Generalmajor, wir haben alleine in den vergangenen fünf Jahren die Hälfte unserer Artillerie verkauft, eine ganze Jetflotte ausgemustert, und Sie selbst haben den Begriff „Armee light“ für das Bundesheer verwendet. Jetzt ist aufgrund des Ukraine-Krieges alles anders.
Rudolf Striedinger: Die damalige Situation bezog sich auf eine Zeit, in der es andere politische und budgetäre Rahmenbedingungen gab. Aktuell findet ein Umdenken in ganz Europa statt. Wir haben immer einen konventionellen Angriff auf Österreich für unwahrscheinlich gehalten. Aber hybride Angriffe, etwa durch Cyberattacken oder Terror, waren im Bedrohungsbild immer enthalten.
Ihr Vorgänger hat uns in einem Interview gesagt, dass er einen Krieg in Europa zwar nicht in der jetzigen Intensität vorhergesehen, aber sehr wohl mit einem bewaffneten Konflikt gerechnet hat. Warum hat man das Bundesheer dennoch stetig zurückgebaut?
Das war sicher nicht eine Absicht des Bundesheeres. Wir haben dargestellt, in welcher Lage wir uns befinden, aber zwischen einer militärischen Beurteilung und der Umsetzung durch die Politik ist ein Unterschied.
(Bild: BMLV/Daniel TRIPPOLT)
Bis zu Ihrem Amtsantritt könnte sich noch eine deutliche Anhebung der Mittel für das Heer ausgehen. Können Sie kurz umreißen, wofür Sie die ausgeben wollen?
Ganz grob für drei Dinge. Erstens Schutzausrüstung und bessere Waffenwirkung für unsere Truppe. Zweitens wollen wir in die Mobilität unserer Soldaten, geschützt wie ungeschützt, investieren. Und drittens in die Autarkie des Bundesheeres, um unsere Leistungsfähigkeit auch in Krisenzeiten sicherzustellen.
Jetzt ist Österreich nicht der einzige Staat, der in seine Streitkräfte investieren will. Gibt der Rüstungsmarkt das aktuell her?
Wahrscheinlich ist ein gewisser Stau zu erwarten, keine Frage. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Rüstungsgüter zu beschaffen, ich sage nur „government to government“, also direkt von einem Staat, nicht vom Hersteller kaufen. Und nachdem wir nicht alleine beschaffen, ist eines unserer zentralen Interessen beim Rüstungskauf die europäische Kooperation.
(Bild: BMLV/Daniel TRIPPOLT)
Wer aktuell in der Luft hängt, ist die Miliz. Zum einen muss sie sehr viele zivile Hilfsaufgaben wahrnehmen, Stichwort Covid- oder Grenzeinsatz, zum anderen hat sie einen klassisch militärischen Auftrag, den der Landesverteidigung. Wo sehen Sie den Auftrag an die Miliz?
Ich gebe zu, es hat immer zwei Seiten, wenn das Bundesheer viele Assistenzleistungen erbringen muss. Auf der einen Seite tun wir das gerne, weil wir der Bevölkerung dadurch zeigen, dass wir für sie da sind. Auf der anderen Seite hat es uns viel Energie gekostet. Wir trennen aber stark: Was ist Assistenzleistung, was ist militärische Aufgabenstellung? Wie etwa letztens bei der Übung „Eisenerz“, bei der auch eine Milizkompanie militärische Aufgaben ausgezeichnet erfüllt hat.
Muss das Bundesheer vom Panzer bis zur Drohne künftig alles beherrschen können? Oder sollen wir uns innereuropäische Aufgaben aufteilen?
Da gibt es eine sehr klare Position von meiner Seite, die lautet: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen rund um die Neutralität sehen keine Möglichkeit der Aufgabenteilung. Eine partielle Landesverteidigung - das machen wir und das nicht - können wir uns nicht leisten. Wir müssen alles können.
Zur Person
Rudolf Striedinger, 60, hat als gebürtiger Wiener Neustädter gleich die dortige Militärakademie besucht, bevor er 1983 als Leutnant ausmusterte. Zunächst Kommandant einer Jägerkompanie, stieg er bis in den Generalstab auf und wurde 2011 zum niederösterreichischen Militärkommandanten ernannt. 2016 übernahm er die Leitung des Abwehramtes, bevor er 2021 zum Stellvertreter von Generalstabschef Brieger ernannt wurde, dessen Nachfolge er nun übernehmen soll.
Wie geht es mit GECKO weiter? Sie bleiben Co-Vorsitzender des Krisenstabes.
So habe ich das mit dem Bundeskanzler besprochen.
Geht sich das aus? Wenn im Herbst wieder Corona durchschlägt und Sie gleichzeitig oberster Militär im Land werden?
Das ist schon richtig, meine GECKO-Arbeitszeit beginnt in der Regel dann, wenn ich hier die Rossauer Kaserne verlasse. Abendsitzungen, Wochenende, das ist jetzt schon so. Was den Herbst betrifft, haben wir aus GECKO-Sicht alle Grundlagen bereitgestellt.