Der iPhone-Konzern schränkt wichtige Funktion für Demonstrierende ein

Der iPhone-Konzern limitiert das Übertragen von Dateien zwischen Smartphones in China. Experten kritisieren Apple, der Konzern verteidigt sich mit Verbraucherschutz.

Berlin, Düsseldorf, San Francisco Das Netz ist für Dissidenten in China kein sicherer Ort. Peking zensiert die Inhalte. Nahezu alle Schritte werden überwacht. Wer sich kritisch gegenüber der Kommunistischen Partei äußert, läuft Gefahr, für Jahre eingesperrt zu werden. Um der Überwachung zu entgehen, nutzten Demonstranten in Hongkong darum einen technischen Kniff: Sie teilten politische Botschaften auf ihren iPhones mithilfe von Airdrop, beispielsweise an chinesische Touristen.

Die Funktion des Apple-Smartphones ermöglicht es, Dateien per Bluetooth oder WLAN an andere Geräte in der direkten Umgebung zu übertragen. Auch in den vergangenen Monaten war der Dienst genutzt worden, um im stark zensierten China regierungskritische Informationen zu teilen. So hatten unter anderem an Universitäten Studierende die Funktion genutzt, um Schriften mit anderen iPhone-Nutzern in ihrer direkten Umgebung zu teilen – ähnlich wie früher Flugblätter. Der Versand der Nachrichten lässt sich schwer nachverfolgen.

Doch bei den jüngsten Protesten in China gegen die Covid-19-Maßnahmen spielt Airdrop keine große Rolle mehr. Der Grund: Apple hat die Funktion bereits vor knapp drei Wochen in der Volksrepublik stark eingeschränkt, als es die neue Version des iOS-Betriebssystems aufspielte.

Seitdem können Nutzer nur noch für maximal zehn Minuten Dateien von Nicht-Kontakten empfangen. Die eingeschränkte Nutzung diene dem Schutz der Nutzer, argumentiert Apple. Der Konzern wolle „unerwünschte Dateifreigaben verhindern“, wie es in einer Stellungnahme hieß.

Tatsächlich hatte es seit der Einführung von Airdrop 2013 immer wieder Beschwerden über die Funktion auch außerhalb Chinas gegeben. In Flugzeugen oder der U-Bahn wurden den Passagieren mit iPhones beispielsweise obszöne Bilder oder Drohungen zugeschickt.

Apple: Starke Abhängigkeit in China

Warum schränkt Apple den Dienst aber nur in China ein? „In anderen Ländern und auch unter macOS gibt es die Einschränkung noch nicht“, sagt Jens Kleinholz, Blogger und Apple-Experte.

Laut Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig vom Internationalen Hochschulinstitut Zittau der Technischen Universität Dresden steht das Unternehmen in China in einem großen Abhängigkeitsverhältnis. Während andere US-Techkonzerne auf Distanz zu Peking gegangen seien, habe Apple noch stärker auf die Volkrepublik gesetzt, sowohl als Produktionsland als auch als Absatzmarkt. „Facebook hat sich zurückgezogen, Google hat sich zurückgezogen. Apple hat sich angepasst.“

Das führe dazu, dass Apple sich nicht der Forderung der Staatsführung entziehen könne. „Peking weiß, dass Apple keine Alternative zu China hat. Apple ist der Willkür der Partei unterworfen“, sagte Hennig. „Wer sich heute auf dem chinesischen Markt tummelt, dem muss klar sein, dass er nach der Pfeife der Partei tanzen muss.“

In der Volksrepublik China hatte Apple zuletzt bereits mehrmals kontroverse Entscheidungen getroffen. Zuletzt hatte der Konzern eine Partnerschaft mit einem chinesischen Staatskonzern geschlossen, der sensible Nutzerdaten speichert.

Apple-CEO Tim Cook hatte angekündigt, der Konzern werde dafür sorgen, dass Daten verschlüsselt blieben, sodass für Nutzer keine Risiken entstünden. Die New York Times" berichtete jedoch, dass Apple die international übliche Verschlüsselung für die Daten aufgegeben habe, weil Peking sie nicht zulassen wollte. Auch die physische Kontrolle über die Server liege bei der chinesischen Regierung.

iPhone-Produktion in China: Proteste beim Apple-Lieferanten Foxconn

Apple fertigt nahezu alle iPhones in der Volksrepublik China. Nur ein kleiner Teil wird in Indien produziert. Wie stark sich das auswirkt, zeigt sich in einer wichtigen Fabrik in der chinesischen Millionenstadt Zhengzhou. Dort kommt es seit Wochen zu Protesten von Arbeiterinnen und Arbeitern. Vor drei Wochen hatte das Unternehmen über Zhengzhou mitgeteilt: „Die Anlage arbeitet derzeit mit deutlich reduzierter Auslastung.“ Apple hatte daher deutlich längere Wartezeiten bei den neuen Spitzen-Smartphones angekündigt.

Die vom Apple-Zulieferer Foxconn betriebene Fabrik hatte Mitarbeitende angewiesen, das Werksgelände nicht zu verlassen, um keine Infektionen mit dem Coronavirus zu riskieren und gleichzeitig die Fertigung von iPhones vor der Weihnachtssaison anzutreiben.

Mitarbeitende berichten jedoch von massenhaften Infektionen mit dem Coronavirus, mangelnder Versorgung mit Lebensmitteln und Misshandlungen durch Aufseher. Laut Berichten der NGO China Labour Bulletin verließen bereits im Oktober Tausende Arbeiter das Werk.

Mit Bonuszahlungen und dem Versprechen besserer Arbeitsbedingungen versuchte Foxconn, die Situation zu beruhigen. Vor wenigen Tagen sei es jedoch erneut zu Protesten gekommen, berichtete China Labour Bulletin. Die Nachrichtenagentur Bloomberg erwartet, dass Apple aufgrund der Lage in Zhengzhou Ende des Jahres sein Produktionsziel für iPhones um sechs Millionen Einheiten verfehlen wird.

Ein Apple-Sprecher sagte: „Wir prüfen die Situation und arbeiten eng mit Foxconn zusammen.“ Die Bedenken der Mitarbeiter würden berücksichtigt werden.

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