Damit könnte die Ukraine Russland direkt angreifen
Das könnte zu einer Eskalation des Krieges führen: Ein CDU-Politiker fordert, der Ukraine Waffensysteme mit großer Reichweite zur Verfügung zu stellen.
Während Wolodomyr Selenskyj am Wochenende mutmaßlich in Deutschland zu einem Blitzbesuch erwartet wird, scheint in der Ukraine bereits die lang erwartete Gegenoffensive begonnen zu haben. Zumindest stellen die ukrainischen Truppen Russlands Soldaten punktuell vor große Herausforderungen. So sollen den Kämpfern im Süden der Stadt Bachmut zuletzt größere Geländegewinne gelungen sein.
Ein Sprecher der Ost-Gruppe der ukrainischen Streitkräfte sagte, seine Truppen hätten "in drei Tagen der Gegenoffensive ein Gebiet von 17,3 Quadratkilometern befreit". Selbst aus Moskau kommen inzwischen Töne, die angesichts der monatelangen Abnutzungsschlacht um die Stadt aufhorchen lassen. So haben sich russische Truppen offenbar auch aus einem Gebiet nördlich von Bachmut zurückgezogen, nachdem die Ukraine dort insgesamt 26 Angriffe gefahren hat. Dies teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenko, mit.
Zudem griff die Ukraine in der Nacht zu Samstag auch die Stadt Luhansk an, die rund 100 Kilometer hinter der Front und damit hinter den russischen Linien liegt. Dafür kamen offenbar Waffen mit höherer Reichweite zum Einsatz. Experten vermuten, es könnte sich um Marschflugkörper mittlerer Reichweite vom Typ "Storm Shadow" handeln. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace bestätigte vor Parlamentariern im Unterhaus, dass sein Land der Ukraine diese Marschflugkörper zur Verfügung stellen wird.
Solche Waffen könnten den Kriegsverlauf entscheidend beeinflussen. Der CDU-Politiker Johann Wadephul fordert unterdessen, der Ukraine mehr Waffen mit großer Reichweite zur Verfügung zu stellen, und zwar auch solche, mit denen ukrainische Streitkräfte russisches Territorium angreifen könnten. Mithin Marschflugkörper, die eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern haben. In diese Kategorie fallen auch die "Storm Shadow".
Bereits im Februar 2023 hatte Großbritanniens Premier Rishi Sunak eine entsprechende Hilfe angekündigt. "Wir müssen die Ukraine in die Lage versetzen, sich vor russischen Bomben und iranischen Drohnen zu schützen. Und deswegen wird Großbritannien das erste Land sein, dass die Ukraine mit weitreichenden Waffensystemen versorgt." Dieses versprechen, das Sunak damals auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab, scheint nun eingelöst worden zu sein.
Ukraine-Krieg: Russland bestätigte, dass das ukrainische Militär auf einer 100 Kilometer breiten Frontlinie angegriffen habe. (Quelle: Reuters)
Eskalationsspirale wäre die Folge
"Weder völkerrechtlich noch politisch gibt es eine Begründung dafür, warum die Ukraine nicht auch Ziele in Russland angreifen darf", sagte der Außenpolitiker dem Berliner "Tagesspiegel". "Warum sollte ein angegriffenes Land darauf beschränkt werden, sich nur auf dem eigenen Territorium zu verteidigen?", so Wadephul weiter.
Diese Forderung ist sowohl politisch als auch militärstrategisch hochumstritten. Sie könnte Russlands autoritären Herrscher Wladimir Putin und seine Generäle doch dazu veranlassen, den Krieg weiter eskalieren zu lassen – und womöglich den Einsatz taktischer Nuklearwaffen nach sich ziehen. Vor einem solchen haben die USA Russland bereits mehrfach ausdrücklich gewarnt und mit einer entsprechenden Reaktion in Form eines flächendeckenden Einsatzes konventioneller Waffen gedroht. Eine Eskalationsspirale wäre die Folge.
Um dies zu verhindern, lehnt die Bundesregierung die Lieferung von Waffen mit größerer Reichweite an die Ukraine bislang vehement ab. Kanzler Olaf Scholz berichtete jüngst, darüber mit Wolodymyr Selenskyj einen "Konsens" erzielt zu haben.
Größtes Waffenpaket der Bundesregierung soll kommen
Indem Großbritannien nun offenbar bereits einen Schritt weiter geht, setzt die Regierung unter Rishi Sunak auch Joe Biden unter Druck. Denn die US-Administration hatte sich bisher einer Ausstattung der Ukraine etwa mit den Boden-Boden-Raketen ATACMS (Army TACtical Missile System), die von den in der Ukraine bereits vorhandenen Himars-Systemen abgefeuert werden können, verweigert. ATACMS sind in der Lage, bis zu 300 Kilometer entfernt liegende Ziele zu treffen.