Breitbandausbau: Länder rebellieren gegen Digitalminister Wissing
Die Gigabitstrategie vom Digitalminister lässt auf sich warten. Bund und Länder sind uneins, wie sie das Glasfasernetz ausbauen wollen. Der Frust in der Branche wächst.
Berlin Bundesdigitalminister Volker Wissing sorgt für Frust bei den Bundesländern und in der Telekommunikationsbranche. Grund sind die stockenden Verhandlungen über ein neues Förderprogramm zum flächendeckenden Glasfaserausbau. Bislang ist es dem FDP-Politiker nicht gelungen, einen für alle tragbaren Kompromiss vorzulegen. Verhandlungen in einer Taskforce wurde ergebnislos abgebrochen, ein Krisengespräch auf Ebene der Staatssekretäre habe gezeigt, dass die Vorschläge des Bundes „auf geschlossene Ablehnung“ stoßen, hieß es seitens der Bundesländer. Die Länder arbeiten daher einen Gegenvorschlag aus.
Für Bundesminister Wissing drängt die Zeit. Er hatte sich in ersten Eckpunkten für die Gigabitstrategie darauf festgelegt, bis Mitte des Jahres ein Konzept vorzulegen, damit die Länder die neuen Förderregeln bis 2023 umsetzen können. Die Verhandlungen über die neue Art der Förderung laufen bereits seit Anfang des Jahres.
Bis 2030 will Wissing alle Haushalte mit einem Glasfaseranschluss versorgen. Derzeit sind es erst 18 Prozent. Bis 2025 sollen es zumindest dreimal so viele sein. Die Netzbetreiber haben angekündigt, bis dahin 50 Milliarden Euro zu investieren. Sie warnen allerdings davor, die ohnehin knappen Baukapazitäten für langwierige Förderprojekte zu binden und so den Breitbandausbau zu bremsen.
Nun gehen die Länder in die Offensive. Mecklenburg-Vorpommern hat eine Initiative in den Bundesrat eingebracht, die am Freitag zur Abstimmung steht. Es gebe eine breite Zustimmung, hieß es seitens der Länder. In dem Antrag fordert das Land, auch in Zukunft überall weiter den Breitbandausbau fördern zu können, und lehnt einen Strategiewechsel ab. „Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass Einschränkungen der Förderkulisse nur bei Vorliegen verbindlicher Ausbauzusagen der Telekommunikationsunternehmen vorgenommen werden“, erklärte Landesdigitalminister Christian Pegel (SPD). An diesem Donnerstag treffen sich die Bundesländer, um ihren Gegenvorschlag abzustimmen.
Der Initiative haben sich bereits Rheinland-Pfalz, das Heimatland von Minister Wissing, und ebenso Schleswig-Holstein angeschlossen. Im dortigen FDP-geführten Wirtschaftsministerium sei die Unzufriedenheit mit dem Bundesminister hoch, hieß es. Auch Bayern will der Initiative zustimmen, ebenso plant dies Niedersachsen.
„Der Bund hat im Rahmen seiner Gigabitstrategie die Idee vorgestellt, Ausbauvorhaben bundesweit nach dem Maß der Unterversorgung zu priorisieren und auch die Fördermittel entsprechend zu verteilen“, sagte Pegel. „Dies würde zu einer Bestrafung der Länder führen, die – so wie wir in Mecklenburg-Vorpommern – mit großem Erfolg die unterversorgten Gebiete, in denen privatwirtschaftliche Unternehmen auf absehbare Zeit keinen Breitbandausbau vornehmen, beseitigt haben.“
Länder suchen eine einheitliche Position
Ähnlich argumentiert Bayerns Finanzminister Albert Füracker und lehnt es ab, vornehmlich auf Privatunternehmen zu setzen. „Bayern stellt sich klar gegen die aktuellen Pläne zur Neuausrichtung der Bundesförderung“, sagte der CSU-Politiker dem Handelsblatt. Änderungen würden den Ausbau nur verzögern. „Unsere Kommunen brauchen jetzt Unterstützung beim Glasfaserausbau – ohne Tranchen, ohne Windhundprinzip oder Priorisierung, aber vor allem ohne mehr Bürokratie.“
Der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) setzt zwar stark auf die Privatwirtschaft. Doch auch er übt wie die anderen Länder scharfe Kritik. „Die baldige Veröffentlichung der Gigabitstrategie soll nun der erste nennenswerte Amtsakt sein, die vorherigen ehrgeizigen Ziele zurückzuschrauben und den Gigabitausbau um mindestens fünf Jahre bis 2030 auszubremsen“, warnte er. „Das hat mit Fortschritt nichts zu tun.“ Die Länder würden ebenso den Plan ablehnen, die Mindestversorgung der Menschen auf nur zehn Megabit in der Sekunde festzulegen, wie es Minister Wissing per Verordnung getan hat.
Bisher können Kommunen in Gebieten, in denen es noch keinen Anschluss von 100 Megabit in der Sekunde gibt, ein Markterkundungsverfahren durchführen. Meldet sich kein Unternehmen, um das Gebiet auszubauen, darf die Kommune den geförderten Ausbau ausschreiben. Das Land Hessen hingegen unterstützt die Idee der Ampelkoalition in Berlin, Fördergebiete künftig danach einzuteilen, wie groß das Potenzial für einen wirtschaftlichen Ausbau ist. Nur wo keine Perspektive besteht, soll der Staat eingreifen können. Damit sollen private Anbieter beim Ausbau Vorrang haben. Dies sei ein wichtiger Beitrag, um den privatwirtschaftlichen und geförderten Ausbau zu verzahnen, erklärte die hessische Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU).
Wirtschaft warnt davor, die Ausbauziele zu verfehlen
Es geht um rund acht Millionen Haushalte, die nach einer Analyse des Bundesdigitalministeriums mit Fördermitteln ans Glasfasernetz angeschlossen werden könnten. Pro Jahr will der Bund Förderbescheide für maximal zwei Millionen Anschlüsse unterstützen. Bis Ende 2026 wären somit alle unwirtschaftlichen Regionen ausgeschrieben. Dafür wolle der Bund sogar mehr als die von Minister Wissing bisher auf eine Milliarde Euro gedeckelte Fördersumme bereitstellen, hieß es.
„Nicht nachvollziehbar ist für uns, warum das Ministerium den von Minister Wissing selbst ins Spiel gebrachten Vorschlag einer Begrenzung der jährlich zur Verfügung stehenden Fördermittel offensichtlich nicht weiterverfolgt“, kritisierte Sven Knapp, Geschäftsleiter beim Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko), die Entwicklung. Dem Verband gehören etliche Netzbetreiber an, darunter große Regionalanbieter wie EWE Tel, kommunale Anbieter wie Enercity, aber auch private wie die Deutsche Glasfaser.
Knapp forderte „eine klare Agenda“ von Digitalminister Wissing. Diese müsse sicherstellen, „dass staatliche Fördermaßnahmen nicht den deutlich schnelleren eigenwirtschaftlichen Ausbau verdrängen“. Deshalb sollten die Fördergebiete mindestens über fünf Jahre gestreckt werden. „Wir werden das Ziel, Deutschland bis 2030 flächendeckend mit Glasfaser zu versorgen, ohne eine grundlegende Reform der bestehenden staatlichen Förderung für den Glasfaserausbau nicht erreichen“, warnte er.